Samstag, 30. August 2014

Der gemeine KØBENHAVNer in Klischees

Da wird man im Studium jahrelang darauf trainiert, gedanklich stets auf der Metaebene zu balancieren und getrimmt, die subjektive Brille zumindest versuchsweise durch die Augen eines außenstehenden Feldforschers zu ersetzen, aber gelingen wills schwer. Und quasi als Gegenbewegung dazu nun also die bewusste Niederschrift meiner Schubladisierungen - der Kopenhagener - (bei Beschwerden bitte an das Salzamt oder Herrn Malinowski wenden!):
  • Einziges lokal angesiedeltes Grüppchen, dessen männliche Protagonisten es schaffen, in kurzen Hosen extrem elegant auszusehen;
  • Wie das eigene Fahrrad daherkommt, is dagegen wurscht, Hauptsache gemütlich gebaut und schaukelig, im besten Fall ein Lastenrad für die Kids auch gleich. Look ist Nebensache. Absperren mit Schlössern ist auch eher was für Schnarchnasen, am besten diese Radblockierschlösser - reicht völlig aus!
  • Instantkaffee - ja gerne! Hierzulande ein aussterbendes Produkt der 80er, erfreut es sich zumindest in Kopenhagen sagenhafter Beliebtheit; in ausgewählten Supermärkten gibt es die Auswahl zwischen 20 verschiedenen Brands und Aromen.
  • Du bist Anfang/Mitte 20 und mitten im Studium - super, nix wie Kinder kriegen; obwohl die Statistik dagegen spricht, hat man beim Beobachten den Eindruck, dass da wirklich alle sehr jung Familien gründen (Indiz: Kindersitz am Fahrrad).
  • Egal wo man hinfahren will, es gibt immer immer immer eine superbreite Fahrradspur - das totale Orientierungseldorado. Als Zuckerl dann noch sehr ausgeglichene Autofahrer, die Radfahrer akzeptieren und wirklich aufpassen, wenn irgendwo abgebogen wird, Herz was willst du mehr.
  • Nicht vergessen: beim Bäcker Nummer ziehen, sonst wird man nicht bedient!
  • Optimismus, Freundlichkeit und Offenheit - die 3 Musketiere einer Wohlfühlstadt; selbst in der Rush Hour sind die Leute noch verständnisvoll und nehmens mit Humor, wenn sie mit einem Riesenrucksack angerempelt werden. Oder man fragt eine Mutter mit plärrendem Kleinkind am Zenit der Trotzphase mit der Riesenkarte in der Hand nach dem Weg - no problem!
  • Machismo? Was ist das... Alltägliche Egalität der Geschlechter - hey, sowas gibts nicht nur im Proseminar auf der KSA?
  • Geometrie: Warum können die Dänen nur und überhaupt alles, was sie umgibt einfach viel schöner designen? Da vereinen sich Funktionalität, Helligkeit, Transparenz und Ästhetik - einfach so viel besser als immer verkleidet-versteckt-verwinkelt irgendwie oder? Spiegel der Mentalität?
  • Das bargeldlose Leben, in Skandinavien schon fast verwirklicht. Man schwebt auf Wolke 7, wenn man sogar den Coffee to go um an Euro mit der Karte bezahlen MUSS.
  • Über den Tivoli kommt nix, der Nostalgieausflugsklassiker für alle Lebensalter. Irgendwie ein bisschen unverständlich, aber vielleicht muss man da reinwachsen. So lange die Verpflegung heiß, fettig und billig ist, bin ich sowieso dabei.
  • Vorhänge - noch nie gehört? Wenn man bei einem Fenster - egal ob in Dänemark oder Schweden - vorbeigeht, wird man 2 Dinge bemerken: immer steht eine kleine Lampe als Deko und die Sicht wird sicher nicht durch Textilien verhängt (auf meine Frage an A.-M. warum nicht: "What reason would we have to hide?" He, stimmt, oder?). In keinem Vorgartel hab ich einen Zaun entdecken können. Und: In A.-M.s Strasse wurde ein Kühlschrank geliefert - Bewohner jedoch verreist. 4 Tage später stand er immer noch da vor der Tür, das nagelneue Hi-Tech-Gerät. 
  • Die Mädelsmode ist laaaaaangweilig. Im Gegensatz zu Stockholm, wo Vintage noch existiert, findet man in Kopenhagen den üblichen Einheitsbrei aus bauchfrei (kaufen alle, keiner trägts?), enge Jeans (preferably schwarz), weißes Top und zeltartiges Darüber (hier gibts kurz/lang/Wolle/Synthetik/wallend/schwarz-grau-mesh…) und fiesem Ghettorappergoldschmuck.
  • Quote der kurzhaarigen Mädels zwischen 5 und 50: 2 %
  • Über die Wiener Hauptbibliothek kommt nix - aber der Kopenhagener Schwarze Diamant ist eine Welt für sich. Eine vollständige Erkundung schließt ja auch die Sanitäranlagen ein und wenn man im alten Trakt vorbeihuscht, dann kann man noch einen Blick auf die Vergangenheit erhaschen… Flair eines Audimax im vorvorigen Jahrhundert. Und die tausend alten Holzkarteikartenladen aaaaaah! Das alles mit gläsernem Blick auf den Hafenkanal. Muss mal einer nachmachen.
  • Öffentliche Verkehrsmittel auf Schiffsbasis - man fühlt sich nach Bangkok versetzt. Bootstaxi entlang der Sehenswürdigkeiten, da ist man gerne Tourist. Mit Fahrradparkplatz inklusive versteht sich.
  • Straßenmusikfaktor: hoch - tolle Musik wohin das Ohr reicht, am besten in der Innenstadt kurz nach Geschäftsschluß. 
  • Weihnachten, ein wichtiges Thema... Der Charakter von Wichteln: In Österreich ja eher Freund und Helfer haben die kleinen Kobolde in Dänemark einen Sturschädel und sind ihren menschlichen Mitbewohnern nicht immer freundlich gesinnt. Like!
  • Die "Stadträder" (Sprachtarnung) sind in Wirklichkeit Hightech-Raumgefährte mit GPS. Kostenpunkt (fast) nix.
  • Fußgängerampel? Gibt's auch, aber hält sich keiner dran, sehr angenehm.
  • In einer Woche keinen einzigen Polizisten gesehen - schon gar nicht irgendwo bei einem Radweg lauernd (StVO Ausstattung mit Licht etc., was ist das? Im Dunkeln sollts halt Leuchten…). A.-M. dazu "was sollte ein Polizist bei den Radln denn bitte kontrollieren?"
  • Es gibt eine unglaublich starke politische Lobby für Fahrradfahrer, Autos kosten fast das Doppelte wie bei uns (bis auf wenige Ausnahmen für Mini-Autos) - merkt man!
  • Zwischen Schweden und Dänemark herrscht ein ähnliches Freundschaftsgefälle wie hierzulande Ö-D; Zankapfel auch hier unter anderem das (Medizin)Studium.
Und die Zeit hats auch wieder mal auf den Punkt gebracht: Link


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen