Sonntag, 15. September 2013

Incredible India


Virtuelles Tourenbuch: Stok Kangri (6121m)

Die Überschrift lügt ein bisschen, denn ganz oben waren wir nicht, am Stok Kangri. Obwohl wir nach den vielen Berichten soooo sicher waren, ist uns der Gipfel unseres ersten 6.000ders verwehrt geblieben. 

Doch alles der Reihe nach: Begonnen hat alles auf ca. 3.200m im beschaulichen Örtchen Stok - wo man auch den wunderbaren ehemaligen Königspalast bestaunen kann, der vor gar nicht so langer Zeit noch bewohnt wurde und die Besucher in Nostalgie versinken lässt - bei dem Anblick des reich besticktenThrones, des kostbaren Peraks und vieler alter Götterabbilder.

Die zivilisierte Welt haben wir also hinter uns gelassen und sind auf sehr malerischen Pfaden nahe des Markha Valleys immer mehr bergauf gewandert. Eine strohfarbene Hündin hat uns begleitet - obwohl ich ihr fast mein gesamtes Croisseant verfüttert habe, war jedoch beim Ton-Ton Pass Schluss... Nach einem kleinen Vergeher waren wir dann richtig: und aufwärts gings - tosende Bäche haben wir barfuß überquert und Schutt-Täler ausgewandert. Tal um Tal um Tal um Tal....pfffff. Angekommen im Mankarmo Camp waren wir die einzigen Trekker vor Ort und konnten uns gemütlich im Zelt des Mitra Cafes setzen, heißen Tee schlürfen und mit den hiesigen Betreuerboys plaudern.

 Unsere liebe Begleiterin, malerische Flüsse und verwunschene Ruinen

Eingewickelt in unsere gemütlichen -20 Grad tauglichen Daunenschlafsäcke registrierten wir auch nicht den Wetterumschwung und erlebten beim ersten Blinzler frühmorgens eine Überraschung: es hatte doch tatsächlich ziemlich geschneit. Alles naß, alles gefroren...sehr romantisch! Nix wie alles eingepackt und die letzte Etappe zum Base Camp angegangen - begleitet von sehr vielen sehr fetten Murmeltieren kämpften wir uns die zunehmend dünner werdende Luft Richtung Base Camp auf 5000m hinauf. 

                                     
Blick aus dem Zelt (Mankarmo), Kochen im Wind, juhu


Hallo Mitras Cafe, hallo Maggi

Im Basecamp erwartete uns dann nach der ruhigen Einsamkeit einen Tagesmarsch weiter oben eine ganze Expeditions-Zeltstadt mit fixen Zelten und vielen mobilen Küchen, die tagelang die köstlichsten Dinge brutzelten. Nur nicht für uns... Da wir alles selbst tragen mussten, hatten wir dementsprechend karg geplant und waren kulinarisch ein bisschen am Sand. Der Instant-Reis verschimmelt, die Teebeutel ungenießbar und Müsliriegel die schon beim Hals raushängen samt Vollkornbrot das furchtbar stinkt - so lautete ungefähr die Speisekarte. Ungeplant mussten wir aufgrund anhaltender Schwierigkeiten mit der Höhe einen Akklimatisationstag samt Trek einlegen: eh gut, so besuchten wir über den sehenswerten Paß schonmal den Beginn des Gletschers und konnten uns in Ruhe umsehen.

beim Auskundschaften des Zustiegs

Übrigens ganz nett so ein Base Camp: farbenfrohe Daunenjacken mit 2 Haxeln laufen da tagein tagaus zwischen den Zelten herum und sind gschaftig, zwischendrin kommen und gehen die ganze Zeit Pferde, Ponies und Esel mit klingelnden Glöckchen, die dann schon mal in der Nacht schnaubend 10cm von der Zeltwand und dem eigenen Kopf vorbeitrappeln.

Am Tag der Tage also warfen wir wie wild Aspirin (blutverdünnend) ein, um Kopfweh vorzubeugen und schälten uns mitten in der Nacht aus unseren weichen, wohlig warmen Schlafsäcken um uns den -15 Grad da draußen zu stellen. Im Schein der Stirnlampen gings dann den wohlbekannten Steig zum Paß (100HM) hinauf, für ca. 1 Stunde weiter auf einem kleinen Trampelpfad entlang eines Bergkamms. Im vorgelagerten Base Camp angekommen noch ca. 20 min durch ungutes Schuttgelände bis wir den Gletscher erreichten - gleichzeitig der Punkt, Steigeisen anzulegen. Über den Gletscher gings ganz schnell, nach nicht einmal einer halben Stunde waren wir schon wieder in steinigem Gelände - dann gings los: unsere Haupttätigkeit bestand vor allem darin, mit den Stirnlampen die Steinmännchen, die gleichzeitig als Wegweiser fungieren, zu suchen (ein super Training für Oster-Fans). Gefunden haben wir sie eigentlich alle - und so fällt es fast nicht auf, dass man sich immer höher und höher bewegt. Leider bietet der Stok Kangri wenig abwechslungsreiches Terrain - am aufregendsten war immer noch die Gletscherüberquerung, bei der es so krachte, grollte und schepperte, dass man sich in einem Höllenschlund wähnte. Ziemlich aktiv, der Gute. Ok zurück zum öden Teil: stundenlang schleppten wir uns also Meter für Meter durch Geröll und Schutt aufwärts, es war so bitterkalt, dass wir nicht stehenbleiben konnten, nicht mal für eine Minute - alles fror sofort ein. Gegen 6 Uhr früh pünktlich zum Morgengrauen waren wir dann am Grat angekommen. Von hier wären es eigentlich nur noch eine gute Stunde und knapp 200 HM gewesen, jedoch hatte es geschneit und wir waren vor abgehenden Schneebrettern am Grat gewarnt worden. Außerdem brauchten wir nach 4 Stunden Gehen unbedingt eine Eß- und Trinkpause. Aber für eine Pause wars zu kalt. Leider. Aber wir wußten, wenn wir weitergehen beginnt der Konzentrationsteil, der Weg, bei dem ein falscher Schritt doch gefährlich werden kann. Und wir habens gelassen - entweder mit allen Sinnen oder gar nicht. Schluss bei 5.888m.

Umkehr...

Zurück gings also über denselben öden Schutt- und Geröllweg und irgendwann nach der Gletscherüberquerung war die Sonne so hoch gestiegen, dass es wieder warm wurde. 3 Stunden später, gegen 9 Uhr waren wir zurück im Base Camp, total geschafft und k.o. haben wir erstmal nur geschlafen. Am frühen Nachmittag dann konnten wir nur noch an den Duft von Kaffee und Kuchen denken und fielen der Fehlannahme anheim, der Rückweg wäre ja eh ein Klacks - so ein bissl bergab und so. 

Jaja, die Erinnerung spielt im Nachhinein einen Streich: waren es nicht wunderschöne Täler, die wir beim Hinaufgehen durchquert hatten? Blümchen, Sonnenschein, rauschende Bächlein? Äh nein - es waren Schutt- und Gerölltäler, unangenehm bei jedem Schritt mit den Sohlen, die uns an dem Tag schon viele Höhenmeter hinauf und wieder zurück getragen hatten. Aber da mußten wir jetzt durch: stundenlang haben wir also besagte Steinhaufentäler durchquert - eines nach dem anderen, viele Höhenmeter rauf (und wir dachten wir gehen RUNTER) und auch wieder bergab. Irgendwann hat uns ein riesiges Dzo den schmalen Treppelpfad verstellt, das Ding war nicht und nicht dazu zu bewegen, uns vorbeizulassen! Daneben der Abgrund und links traut man sich aufspießenderweise an den Hörndln nicht vorbei...schlimm, diese Städter wenn sie mal in der Natur sind, versagen sie total. Dann der furchtbarste Moment: wenn man das Ende schon sieht aber merkt, da geht nix weiter, man läuft und läuft und läuft und das Ziel ist noch so verdammt weit weg...

Endlich an der staubigen Straße beim schäbigen Café  in Stok angekommen war Sonntag und kein Taxi weit und breit. Nein halt, da war ein schmerbäuchiger, grindiger Typ, der einfach einen himmelschreienden Preis für die 5km-Fahrt verlangte. Egal wie staubig, egal wie müde - SO nicht mein Freund. Wie zwei wandernde Häufchen Elend klopften wir an die Türen des reichen Stok, wunderschöne Häuser und Blumengärten säumen die Straße...keiner wußte von einem Taxi. Mit uns waren zwei Freundinnen vom Base Camp zurückgegangen, die ebenfalls nach Leh zurückfuhren und zu unserem Glück gabelten sie uns letztendlich auf - a safe ride back und eine gute Empfehlung: besucht doch das Open Hands Cafe, wenn ihr das nächste Mal in Leh seid! 

In Leh war die Odyssee noch nicht ganz zu Ende, ich bin nämlich immer zu höflich. Ich versicherte zu glaubhaft, uns würde der Weg vom Open Hands Café (Fort Road) zu unserer Herberge (Karzoo) nichts ausmachen....jjaaaaa und so schleppten wir uns weiter bei Gehupe, Eselröhren und Auspuffgasen quer durch die Stadt - Manu schon am Zusammenklappen. 

Schön wars :)

Auszug aus der Packliste für alle, dies interessiert:
Zelt
sehr warmer Schlafsack 
Kocher (Achtung, normales Gas geht in der Höhe schlecht; Primus Gaskartuschen überall in Leh erhältlich); wir hatten einen billigen Esbit Kocher
Tabletten fürs Wasser (kleiner Tipp: in der Früh ist das Wasser der Flüsse gefroren, vorher abfüllen!)
obligatorisch warme Kleidung, weiter unten jedoch brütend heiß und schwül - an beides denken, Bergschuhe (gefüttert)
Wanderstöcke
evtl. oben Leichtpickel
Steigeisen (Seil haben wir zB nicht verwendet, es gibt eine "Autobahn")
Tabletten für Wasseraufbereitung 
Geld für Campingplatzgebühr (pro Person pro Nacht ca. 150 Rupees wenn ich mich richtig erinnere); Achtung: Verpflegung auch relativ teuer, Hauptgericht um die 150 Rupees, Tee, Kaffee, Softdrings ab 60 Rupees)
Stirnlampe (Aufbruch in der Nacht)
wichtig: Permit spätestens einen Tag vor Aufbruch beantragen - ca. 2000 INR (kleiner Tipp: wenn man ohne erwischt wird, wirds echt teuer!)